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Manuel Castells en #acampadabcn (I) / 27.05.2011

Übersetzung:

„Ich bin Manuel Castells, Soziologe aus Katalunia. Ich wusste erst nichts von dem Camp hier, aber nun habe ich es kennengelernt. Man hat mich eingeladen, hier zu sprechen, über einige der Ideen, die ich entwickelt habe. Und über mein Buch, das vor Kurzem veröffentlicht wurde, ‚Kommunikation und Macht‘. Ich habe begeistert zugesagt, denn jeder Beitrag hier ist hilfreich, um eine kollektive Reflektion (Betrachtung) zu entwickeln. Denn die Themen hier sind zentral und wichtig für alle, für diese gemeinsame Bewegung, die hier in Katalunia, in Barcelona stattfindet und in ganz Spanien und weltweit.

Bis gestern gab es 706 solcher Camps weltweit, und die Bewegung breitet sich aus, und stündlich gibt es neue. Sie sind wie das Wasser; wenn Wasser fließt, fließt es überall hin und überwindet dabei Barrieren und Hindernisse. Wenn sich etwas aus einer Notwendigkeit (Not) heraus entwickelt, dann geschieht das bei allen Personen, in allen Gesellschaften. So haben jetzt die Revolutionen in der arabischen Welt angefangen, und wenn so etwas geschieht, sehen andere Menschen, dass es möglich ist.

Das Netz heißt „Yes, we camp“. Damit wird das erweitert, was Obama in den Vereinigten Staaten gemacht hat. Er versucht, das Unmögliche wahr zu machen, wobei allerdings für ihn nun alles komplizierter wurde.

Das Wichtige ist, dass es viele Menschen auf der Welt gibt, die die Fatalität der Krise nicht akzeptieren. Sie denken, dass sie etwas tun können, um aus der politischen Misere herauszukommen und das Heft wieder selbst in die Hand zu nehmen, so wie es sein soll.

Ich bin nicht hier, um einen politischen Vortrag zu halten, sondern um das zu untermauern, das ich in den letzten Jahren erforscht, beobachtet und festgehalten habe. Was ist die Verbindung zwischen Kommunikation und Macht? Was ist die Krise der Demokratie, in der wir uns befinden? Und was sind die direkten Wege, um zur echten Demokratie zurückzufinden und sie zu erneuern?

Die Verbindungen der Macht sind essentiell in allen Gesellschaften und durch die gesamte Geschichte, denn es sind die funktionellen Verbindungen einer Gesellschaft. Derjenige, der die Macht hat, schafft die Institutionen für seine eigenen Interessen und Werte. Und die Institutionen, die wir jeden Tag erleben, sind der Ausdruck dieser Macht. Wie formiert (bildet) sich die Macht? Die Macht ist grundlegend in unseren Köpfen, sie ist in uns. Natürlich gibt es die Gewalt und die Demütigung auch außen. Aber eine Macht, die auf Gewalt fußt, ist schwach. Um sie zu überwinden, muss man durch viel Leid gehen. Aber man darf nicht vergessen, dass die Manipulation der Gedanken schlimmer ist als die körperliche Folter (Gewalt). Darum muss der erste Kampf gegen die Macht in unseren Gedanken stattfinden, in der Art, wie wir denken. Denn das bestimmt, was wir tun. In Gedanken schffen wir unser Bild von der Welt, unsere Vorstellung von ihr in Beziehung zu anderen Menschen und ihren Gedanken und zu unserer sozialen und natürlichen Umgebung, unserem sozialen Netzwerk. All dies ist der Prozess der Kommunikation. Sie ist die Verbindung zwischen den Netzwerken. Die kommunikative Umgebung ist das grundlegende Element, durch das unser Verstand funktioniert. Und dadurch entstehen die Verbindungen der Macht.

Es gibt glücklicherweise in einer Gesellschaft immer eine Macht und eine Gegenmacht. Wenn wir ein Gesetz als soziales Gesetz definieren können, dann wäre das erste Gesetz: Dort wo es Beherrschung gibt,gibt es auch einen Widerstand gegen diese Herrschaft. Das was heute etabliert und institutionalisiert ist, ist das Ergebnis der Kompromisse (Abmachungen) von Kampf und Verhandlungen, die stattfinden zwischen verschiedenen Interessen und Werten innerhalb einer Gesellschaft. Der Gewinner verstärkt seine Macht in den Institutionen. Und die, die darauf reagieren und mit neuen Ideen kommen, haben ebenfalls die Macht, die Institutionen zu verändern. So verläuft die Geschichte.

Darum war die Kontrolle der Kommunikation und der Information immer die fundamentale Art und Weise, um Macht auszuüben. Die Kontrolle der Medien durch die Regierungen, was die essenzielle Form. Darum ist die heutige Politik eine Medienpolitik. Was nicht in den Medien ist, erreicht die Bürger nicht und wird somit für nicht existent erklärt.
Nachdem ich gesprochen habe, werden wir diskutieren. Ich möchte das auf jedenfall, denn davon lerne ich auch.
Viel wichtiger als das, was gesagt wird in den Medien ist das, was NICHT gesagt wird in den Medien. Die Abwesenheit der Botschaften, der Alternativen, die Abwesenheit anderer Meinungen.

Sobald es eine Veränderung in der Kommunikation gibt und auch in der Technologie, verändern sich die Kommunikationsprozesse. Und damit verändern sich auch die Machtverhältnisse. Welche Veränderungen haben wir in den letzten Jahren beobachtet? Das System ist völlig von der Massenkommunikation beherrscht. Es wird imemr mehr zu einem System der Autokommunikation der Massen durch das Internet und die Mobilnetze. Es ist die Fähigkeit jeder einzelnen Person, Botschaften zu versenden und auszuwählen, seine eigenen Netzwerke aufzubauen, sich mit anderen Personen zu einigen, wobei die Mitglieder dieser Netzwerke autonom sind. Natürlich wird dies bis zu einem gewissen Punkt von den Kommunikationsunternehmen dominiert, aber auch innerhalb dieser Situation gibt es unendlich viele Möglichkeiten, viel mehr als in den Zeiten der traditionellen Kommunikation. So können horizontal Kommunikationsnetzwerke geschaffen werden, die die Bevölkerung durch Interessen,Werte, soziale Grupen erreichen. Der Raum der konfliktiven Kommunikation wurde so ausgeweitet und auch die Möglichkeit der Selbstorganisation der Personen in der Gesellschaft.

Ich habe beobachtet, dass diese kommunikative Selbstorganisation wächst, sich organisiert und die Mobilisierung ausweitet. Wobei es natürlich auch weiterhin Personen gibt, die nur passive Konsumenten der Information sind. Seit März 2004 hat sich in Spanien eine spontane Bewegung formiert durch die Mobilisierungen, ausgelöst von den Lügen der Regierung. Der Sinn des Wahlrechtes wurde verändert. Die Lügner wurden entlarvt. Die arabischen Revolutionen, all diese Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass sich der Prozess wandelt. Sobald ein Zustand unhaltbar wird, berichtet man darüber im Netzwerk, man organisiert eine Debatte, und aus dem Cyberspace kommt dies in den urbanen Raum, und dann wird eine Interaktion organisiert, zwischen dem Cyberraum und der Straße, der Plaza. Und die sich daraus ergebende Dynamik verändert die Machtverhältnisse und beeinflusst die Gedanken der Personen. Die Menschen merken, dass sie nicht alleine sind. Und so fühlen sich die Menschen stärker. Denn bisher wollten die Politik und die Kommunikation die Menschen isolieren, um uns so leichter zu kontrollieren. Diese Isolierung und Trennung führt zu einer Beherrschung durch die Machthaber. Sobald es aber eine spontane Dynamik gibt, verändert sich dies.

Wenn die Menschen nicht mehr alleine sind, gibt es einen fundamentalen Gedankenwandel. Man verliert die Angst, die Angst davor etwas zu tun oder zu sagen. Denn Angst, so sagt die Wissenschaft, ist das Grundgefühl der Menschen der heutigen Gesellschaften. Es ist wichtig, diese Angst zu überwinden, und zwar gemeinsam, zusammen mit anderen. So werden individuelle Projekte zu kollektiven Projekten. So schafft man Kritik, Debattebn und Alternativen, mögliche neue Lebensformen.

Übersetzung: Martina Bedregal Calderon

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