rEvolution 3.0

„Wirklichkeit ist keine starre Realität, sie ist voller Möglichkeiten – und sie ist in uns. Sie kann von uns geändert und neu gestaltet werden.“ (Hans-Peter Dürr)

In Spanien war seit 15. Mai viel die Rede von „Revolution“ – #spanishrevolution, #europeanrevolution, #worldrevolution und #germanrevolution waren die hashtags unter denen die Ereignisse rund um die Demokratie-Bewegung auf Twitter zu verfolgen waren.

Doch was für ein „revolutionärer“ Geist weht da eigentlich aus Spanien? Mir scheint wichtig, einmal genauer hinzuschauen, um informiert ins Gespräch zu gehen über Demokratie und eine „Echte Demokratie Jetzt“-Bewegung über Spanien hinaus.

Ist in Spanien der Samen einer neuen, ethischen „Revolution“ zu entdecken, die nachhaltig und gewaltfrei eine Entwicklung und Bewegung zu globalem sozialen Wandel entzündet?
Sehen wir in Spanien die Anfänge einer rEvolution 3.0 ?

rEvolution 3.0 ist keine Revolution im bisherigen Verständnis – mehr Evolution -,  sie ist der Ausdruck eines neuen länderübergreifenden bürgerlichen Engagements auf der Grundlage von common sense, dem gesunden Menschenverstand. Doch warum „3.0“? Weil bisherige „Revolutionen“ eine Modernisierung, ein update brauchen, um den heutigen globalen Herausforderungen begegnen zu können.

Als Revolutionen 1.0 können wir die meisten bisherigen Revolutionen betrachten, denen es um nationale Unabhängigkeit oder den Umsturz von (undemokratischen) Herrschaftsssystemen ging – oft auch gewaltsam, wie in der Französischen Revolution 1789, aber auch „friedlich“ wie 1989 in der DDR.

Als Revolutionen 2.0 können wir Tunesien 2010/11 und Ägypten 2011 ansehen, die sich gegen autokratische, korrupte Regime richteten und in denen erstmals auch das Internet (Web 2.0) mit Facebook, Twitter und Blogs eine große Bedeutung hatte. (Über „Revolution 2.0“ schreibt der Ägypter Wael Ghonim übrigens aktuell ein Buch.)

Was aber kennzeichnet dann die rEvolution 3.0, die auch in Demokratien stattfinden kann? Erste Elemente davon deuten sich gerade in Spanien an:

  • Menschen kommen ins Gespräch, gewaltfrei, ohne Angst
  • Menschen lassen sich leiten vom common sense, dem gesunden Menschenverstand, dem Gemeinwohl
  • eine integrierende Bewegung für grundlegenden Wandel
  • eine integrierende politische Haltung – jenseits klassischer Ideologien (wie Sozialismus, Islamismus, Liberalismus) und traditioneller Polarisierungen und Differenzierungen (links/rechts, Arbeiter/Kapital, religiös/unreligiös)
  • horizontale, netzwerkartige Organisation (ohne klare Führung, dezentral, konsensorientiert)
  • Intoleranz gegenüber Symbolen und Verhaltensweisen, die trennen und polarisieren (z.B. Flaggen, parteipolitische Reden)
  • globale Vernetzung durch soziale Medien, lokale Versammlungen durch Gespräche
  • Forderung der konsequenten Umsetzung geltender Gesetze und Einlösung moderner Werte (z.B. Demokratie, Transparenz, Menschenrechte etc.)
  • Menschen erleben gemeinsam ihre Macht
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10 Antworten auf rEvolution 3.0

  1. Pingback: Partizipative Demokratie | landscaping

  2. matzen sagt:

    Falls du es vergessen hast, die Proteste in Spanien sind gegen etwas, und zwar gegen die Sparmaßnahmen.

  3. Kevin sagt:

    Was bitte sehr ist gesunder Menschenverstand? Damit implizierst du, dass den Menschen etwas gegeben ist, was uns leitet, dass universell ist.
    Islamismus ist keine Idiologie (auf jedenfall keine, die in Europa irgend eine Bedeutung hätte), sondern viel mehr ein konstruiertes Feindbild, mit dem Kriege, Überwachung und Einschränkungen gerechtfertigt werden.
    Die Bewegung hat sehr wohl auch Symbole.
    Das du alles bis zu diesem Frühling zusammenfasst ist Schwachsinn.

    (anmerkung: habe rechtschreibfehler korrigiert im kommentar, TS)

    • tstelling sagt:

      Hallo Kevin,
      ich denke COMMON SENSE ist ein zentraler Begriff in der 15M-Bewegung, die in Spanien und vielleicht auch darüber hinaus gerade wächst. Der Fokus wird dabei auf das Gemeinwohl gericht, sei es lokal, regional, national oder auch global. Der COMMON SENSE bleibt in den heutigen repräsentativen Demokratien oft unberücksichtigt, wo Lobbyisten, kurzfristige politische Interessen oder auch zunehmend transnationale, nicht demokratisch legitimierte Akteure (wie etwa Ratingagenturen) so starken Einfluss haben. Und wir wissen oft nicht a prioro was COMMON SENSE ist, er ergibt sich erst in „Gesprächen“, wenn Menschen nicht mehr geleitet sind von Teilinteressen, sondern es ihnen um das größere Ganze geht, um Lösungen, die alle potenziell betroffenen Menschen mit im Blick haben.

  4. Sumy nonA sagt:

    Ich kann den sich abzeichnenden Merkmalen der rEvolution 3.0 eigentlich nur zustimmen, jedoch sehe ich die europäische Protestbewegung als direkte Fortetzung der Proteste in der arabischen Welt, allerdings unter anderen Grundvoraussetzungen. Ich denke nicht, daß eine neue Versionsnummer angebracht ist, um diese Bewegung zu beschreiben. Ich sehe das Medium Internet nur als (wie alle anderen Medien) Erweiterung menschlichen Handelns. Durch das instantane, weltweite Kommunizieren der Menschen UNTEREINANDER (d.h. ohne Lenkung und Filterung durch hierarchisch strukturierte und interessengelenkte Massenmedien) entstand und entsteht nun ein Bewusstsein über Mißstände in der Gesellschaft bei den Menschen. Das Netz wandelt unsere Organisationsformen und Strukturen maßgeblich und was wir hier nun live erleben dürfen, ist der Niederschlag dieses Medienwandels in der Realität. Die letzte wirklich große Umwälzung der Organisations- und Kommunikationsstruktur dürfte der Buchdruck gewesen sein. Von seiner Erfindung bis zum Niederschlag in der Gesellschaft vergingen mehrere Jahrhunderte. Das Netz schafft einen ähnlich großen Umbruch schon in wenigen Jahrzehnten und es beginnt genau jetzt. Ich fände es gut, wenn wir alle anerkennen, daß all diese weltweiten Proteste einen gemeinsamen Ursprung haben. All diese Menschen sind nicht zufrieden mit dem politischen System in dem sie leben, all diese Menschen haben das Gefühl nicht gehört zu werden. All diese Menschen eint ein Ziel: bessere Verhältnisse für alle. Akzeptiert man dies einmal, spielen die unterschiedlichen Ausprägungen auf jeweiliger Länderebene kaum mehr eine Rolle.
    Wir wurden ausgebildet um unseren Verstand zu benutzen und nun will keiner unsere Meinung hören. Stattdessen werden wir mit Neusprech a la alternativlos und systemrelevant, etc, für dumm verkauft und als Spinner abgetan. Doch es gibt längst neue Denkweisen und Ansätze, das bedingungslose Grundeinkommen, partizipative Elemente, usw. Wir müssen uns nur alle auf den Straßen treffen und darüber reden, dann bildet sich auch ein Konsens wie in Spanien.
    In diesem Sinne kommt mit auf die Straße und bringt euch ein.
    Echte Demokratie Jetzt!

  5. tstelling sagt:

    Unter dem Titel „Verdrehte Welt“ wurden der rEvolution 3.0 diese wunderbaren Zeilen von Immanuel Kant vorausgestellt. »Die Unmenschlichkeit, die einem anderen angetan wird, zerstört die Menschlichkeit in mir.«
    Und ich freue mich darüber, dass im „Querdenkerforum“ auch über rEvolution 3.0 diskutiert wird…

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  9. elf32 sagt:

    Die Punkte der r/Evolution 3.0 kann ich nur begrüßen. Um aber auch mal in den Medien konkreter präsent zu werden, wäre es gut, mit einer Diskussion gemeinsamer Ziele anzufangen.

    Ich lese hier Frust über Korruption und das „für-Dumm-Verkaufen“ heraus. Also scheint mir ein mögliches Ziel:
    Transparenz von Entscheidungen und wirtschaftlichen Verquickungen von Politikern
    Meinungen und weitere Zielvorschläge sehr willkommen.

    Elf32

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